WENN DIE REALITÄT DIE FIKTION EINHOLT
In ihrer Ausgabe vom 20.05.25 stellt die FAZ ein Buch vor mit dem Titel „An der Grenze. Verfehlte Politik, Überforderung, Flüchtlingselend. Wie ein Bundespolizist die Realität an unseren Grenzen erlebt.“
Diesem Situationsbericht stelle ich eine Szene aus meinem 2024 erschienen Thriller „Karl Lost: Im Schatten“ gegenüber.
REALITÄT:
Der Buchautor Jan Solwyn berichtet in seinem Buch unter anderem von, im serbisch-bulgarischen Grenzgebiet aufgefundenen Afghanen, die „Germany best!“ rufen, „auf ihren Smartphones Fotos zeigen von Afghanen in Deutschland, die vor einem Mercedes C-Klasse posieren oder mit einem jungen Mädchen. Es sind Männer, die ein Bild von Deutschland haben, das der Wirklichkeit nicht standhält. … So manche Schilderung macht wirklich sprachlos, und man fragt sich, wie es sein kann, dass der Weg nach Deutschland so leicht ist für Menschen, die nicht (oder nicht unmittelbar) auf der Flucht sind, denn sie durchqueren auf dem Weg hierher schließlich mehrere sichere Länder, in denen sie nicht verfolgt werden.“
An anderer Stelle schildert er den Fall eines jungen Wiederholungstäters, der einen Grenzbeamten „niederschlug und entwischte, bevor er nach einer Verfolgungsjagd wieder festgehalten werden konnte und die Beamten als „Hitlers Bastarde“ und Rassisten beschimpfte. Und der dafür Jahre später von einem Amtsgericht, in Abwesenheit, nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, die er womöglich nie gezahlt hat.“
FIKTION
Szene aus meinem Thriller „Karl Lost: Im Schatten“:
Diejenigen, denen sein Vater das viele Geld gab, damit sie seinen Sohn sicher nach Europa bringen sollten, hatten verbreitet, dass dort Jobs und Häuser für alle bereit stünden, hatten ihnen sogar Bilder auf ihren iPads gezeigt und erzählt, dass die Deutschen keiner Fliege was zuleide tun könnten – ja, sich nicht einmal verteidigen würden.
Als Said das zum ersten Mal hörte, hatte er es nicht glauben wollen. Absurd. Ein Mann muss sich doch mit der Waffe in der Hand wehren dürfen, das war immer Gesetz bei den Arabern gewesen. Auch bei ihnen in Mali.
Auf seiner Flucht, an der Grenze, er wusste schon gar nicht mehr an welcher, so viele hatte er überquert, hatte er es denen gezeigt – die, die ihn aufhalten wollten. Als ihm jemand eine Stange entgegengehalten hatte, hatte er unwillkürlich zugegriffen – sah darin eine Verpflichtung. Hatte auf die Uniformträger dreingeschlagen, mitten hinein in ihre verzerrten Fressen, die geradezu blindwütig ihn und seine Kumpels zurückzerren wollten, weg von dem Grenzzaun, hinter dem doch ihr Land lag. Ihr Gelobtes Land. Dschömany (Germany).
Ja, das hatte ihm gutgetan. Handlanger … Söldner! Und das hatte er nachher auch in die Mikrofone gebrüllt, die die Reporter ihm entgegenhielten; hatte die Worte gehört, die andere schrien. Er schrie sie mit. Was sie bedeuteten, wusste er nicht. Wozu auch? Schließlich ging es allein darum, zu zeigen, dass sie ihr Ziel mit allen Mitteln erreichen wollten.
Weit weg von sich gestreckt hatten die Journalisten ihre Mikrophone, als ob sie ihn auf Abstand halten wollten. Denn in Wahrheit wollten sie nichts mit ihm zu tun haben, ja. Erklärte ihm später ein Kumpel. Aber damit waren nach seiner Meinung die Reporter kein bisschen besser als die Grenzsoldaten. Handlanger eben.
„Deutschland, das Land der ewig Schuldigen“, hatte einer, den er unterwegs kennenlernte und der sogar mal in Deutschland studierte hatte, lachend gemeint und ihm erklärt, dass sie dort in Germany dieses Gefühl schon mit der Muttermilch einsaugten. Wegen der ermordeten Juden. Sobald ihnen irgendein hergelaufener Hottentotte ihre Nazi-Vergangenheit vorhielt, würden sie kuschen und seien sowas von klein mit Hut. Meinte der Kumpel.
Said verstand ein solches Verhalten nicht. Was waren denn das für Menschen? Er verachtete ein Volk mit einer derartigen Haltung. Demut war seine Sache nicht. Obwohl er sich noch nicht zu den Erwachsenen zählen konnte, glaubte er doch, ein Gespür für Würde zu haben. Ein solches ihren Kindern mitzugeben, das war allen Eltern in seinem Heimatland immer besonders wichtig gewesen.