Gedanken zum Tag (24.12.2024)

Magdeburg ist überall.

Wer denkt, nach „Magdeburg“ können wir irgendwann zum Alltag zurückkehren, der täuscht sich ganz gewaltig … ganz abgesehen davon, dass Menschen, die bei diesem Anschlag Angehörige verloren haben, wohl niemals darüber hinwegkommen werden.

Nein – nach Magdeburg ist vor Magdeburg! Überall dort, wo Menschen in eine Spirale von Hass und Gewalt (mehr oder minder freiwillig) hineingezogen werden – und niemand da ist, der ihnen heraushilft -, ist es möglich, dass sich Derartiges wiederholt. Und hierzu trägt jeder von uns bei … macht sich somit (indirekt) mitschuldig an dem endlosen Leid, das letzten Endes bleibt.

„Unerhört!“, wird jetzt der eine oder andere empört ausrufen und – dessen bin ich mir sicher – er wird damit nicht allein sein. Der- oder diejenige gehört dann vermutlich auch zu denen, die bei einem Trauermarsch untergehakt mitmarschieren, mit Plakaten, auf denen solche Merkwürdigkeiten zu lesen sind wie „Ich bin Magdeburg … ich bin Solingen (2024, Messeranschlag) … ich bin Hanau (2020/2023, Schusswaffen) … ich bin Mölln (2014, Brandanschlag auf Moschee) … et cetera“. Noch denkwürdiger wird es, wenn nach einem Anschlag auf eine jüdische Einrichtung plötzlich alle eine Kippa tragen – wohl gemerkt nur während des Trauermarsches -, auf dem Heimweg diese dann umgehend schamhaft in der Jackentasche verschwinden lassen.

Anschläge dieser Art dienten dazu, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören, kommentiert der Sozialwissenschaftler solche Geschehnisse. Immer derselbe eintönige, gebetsmühlenhafte Spruch, immer wieder dasselbe Märchen – denn: Wo nichts (mehr) ist, kann nichts zerstört werden. Wo bleibt denn dieser vielbeschworene Zusammenhalt, wenn die Ehefrau sich nur noch mit Sonnenbrille auf die Straße wagt, damit keiner ihr blaues Auge sieht … wenn das Kind in der Schule zu stottern beginnt, weil die Situation zu Hause unerträglich geworden ist … wenn Jugendliche ihren Spaß an der Zerstörung ausleben und ihnen keiner in den Arm fällt … wenn manches (auch staatliches) Unrecht nicht verfolgt und geahndet wird, einfach weil der Geschädigte sich die Prozesskosten finanziell nicht leisten kann und/oder sein Anliegen erst viele Jahre später verhandelt wird, weil die Personaldecke ungenügend ist.

Wenn der einzelne Bürger sich ohnmächtig fühlt (und sich durch zig Beispiele aus irgendwelchen Medien noch bestätigt sieht), dann stumpft er irgendwann gegenüber Unrecht ab, schaut weg („Ich will da nicht hineingezogen werden …“). Wenn er dann zur Wahlurne komplimentiert wird, ist er umso eher bereit, Parteien seine Stimme zu geben, die radikale (End-)Lösungen versprechen.

Solange solche Mechanismen (und deren Entstehung) geduldet werden, wird es immer wieder ein „Magdeburg“ geben. Dem entgegenwirken kann jeder Einzelne von uns, indem er seinem Gewissen folgt (und nicht oktroyierten Regeln) und indem er beispielsweise Empathie auch denen schenkt, die auf den ersten Blick „anders“ sind als man selbst – aber sie sind in erster Linie eines: Sie sind Menschen … wie du und ich.