Gedanken zum Tag (18.11.2024)

Hallo, Freunde der Feder!

Leserkommentare wie „Wow – der ist ja richtig spannend!“ freuen jeden Buchautor; egal, ob der Roman nun gekauft wird oder nicht. Auf Buchmessen – oder auch auf Kunsthandwerkmessen – seine Bücher auszustellen wird für einen Buchautor nie zur Routine … dazu sind die Erlebnisse dort zu bunt und vielfältig! Hier vor Ort spielt die „Musik“, findet die direkte Auseinandersetzung mit den Lesern statt – der eigentliche Erfolg drückt sich nicht allein in Verkaufszahlen aus.

Dies zeigte sich vergangenes Wochenende in Inchenhofen … ja, in diesem kleinen, gemütlichen Ort in der Nähe von Augsburg. Sonntagabend, nach zwei Stunden Fahrt, bin ich zurückgekommen. In Inchenhofen – ein Ort, der es mir wirklich angetan hat – zog, wie alle Jahre wieder, der Kunsthandwerkermerkt die Besucher an wie der Honig die Bienen.

Und was das Ergebnis anbelangt, so fasse ich es in wenigen, dürren Worten zusammen: Ich habe hier mehr Buchliebhaber gefunden und mehr sinnvolle Gespräche geführt als das letzte halbe Jahr zusammengenommen.

Zu einem der Geheimnisse, an solchen Orten als Buchautor zum Zuge zu kommen, gehört nach meiner Erfahrung eine besondere Eigenschaft, über die immer weniger Leute verfügen: Das Zuhören können. Hierzu passt die folgende Episode: Ein Mann, bereits tief in den Sechzigern, sprach mich unvermittelt an. Zahlreiche Falten in seinem markanten Gesicht, eine vom Leben zwar schon etwas gebeugte Figur – doch sein Blick war gerade. Er taxierte mich kurz, um dann gleich mit dem loszuschießen, was ihm auf der Seele lag. Er selbst würde gar nicht lesen, seine Frau, die bettlägerig sei, dafür umso mehr. Seit sie von einer schweren Operation anscheinend wieder genesen sei – woran er persönlich nicht glaube, sondern eher meine, das vollkommene Gegenteil werde in Kürze der Fall sein -, verschlinge sie Bücher mehr denn je; dabei platze ihre Wohnung doch ohnehin aus allen Nähten. Aber weil er sie liebhabe, wüsste er, dass er ihr die größte Freude ihres Lebens machte, wenn er vom hiesigen Kunsthandwerkermarkt keinen kitschigen Holzengel mit Goldhaar mitbrächte – sondern vielmehr ein spannendes Buch.

Nun, er traf seine Auswahl und ich war froh, ihn zufriedengestellt zu haben. Die Ernüchterung folgte jedoch auf dem Fuße. Allerdings könne er das Buch nicht sofort mitnehmen, weil er sich noch ein wenig umschauen wolle. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich von dem gewählten Titel noch zwei Hardcover-Ausgaben und eine einzige Paperback-Ausgabe. Auf die letztere hatte er es abgesehen gehabt, wie sich später herausstellte. Nach einer halben Stunde kam er wieder. Natürlich hoffte ich, jetzt Nägel mit Köpfen machen zu können. Aber weit gefehlt! Vielmehr begann er erneut von seiner Frau zu erzählen – und von seinem eigenen „Geschäft“. Er sei nämlich Künstler, bemale vorwiegend Holzplatten mit Ölfarbe und verewige darauf Größen aus der Politik und dem Showbusiness. Zum Teil sei er diesen Leuten sogar selbst begegnet. Er zeigte mir sogar ein paar Postkarten mit seinen Werken – und ich war bass erstaunt. Seine Malweise glich der von Andy Warhol … und zwar bis aufs i-Tüpfelchen. Eine erstaunliche Leistung … dieser Mensch überraschte mich total – und das ausgerechnet hier!

Zwar bemerkte ich aus den Augenwinkeln mehrere Male, wie Leute nach meinen Büchern griffen, hineinschauten, darin blätterten – normalerweise Anlass für mich, sie anzusprechen … mich um sie zu kümmern. Doch nichts da! Mein niederbayerischer neuer Freund schien alle Zeit der Welt zu haben – und ich brachte es nicht übers Herz, ihn einfach abzufertigen oder gar stehenzulassen. Eine ganze Weile später schließlich entschied er sich für die, zehn Euro günstigere Paperback-Ausgabe.

Er musste es mir angesehen haben, dass mich in diesem Moment zwiespältige Gefühle plagten. Denn nach seinen Schilderungen war ich fest davon überzeugt, dass seiner bettlägerigen Frau als ausgewiesener Buchliebhaberin die edlere Buchvariante auf jeden Fall besser gefallen würde. Mir plumpste ein Stein von der Seele, als er nach einigem Zögern dann doch meinte: „I seh‘, dass du bloß no a oanzigs Exemplar von der Paperback-Variante hosch … was soll’s  – i nehm dös Hardcover. Vielleicht kimmt hernach so an armer Schlucker, der mehr auf sei Geld achten muaß als i.“

Solche berührenden Erlebnisse hakt man nicht so schnell ab – sie machen einen wertvollen Teil meines Lebens aus und bestärken mich zugleich darin, nach Möglichkeit stets den persönlichen Kontakt zu suchen.