Gedanken zum Tag (29.12.2023

Weihnachten ist vorüber – Gott sei Dank! Hätte Gott geahnt, wie sehr dieses Ereignis, die Geburt seines Sohnes, letztlich aus dem Ruder laufen würde – er hätte sich die Sache ganz sicher noch überlegt. Glaubt man den Mythen, pardon: den Überlieferungen, dann erblickte Jesus in einer armseligen Krippe in Bethlehem – ausgerechnet (!) – das Licht dieser (noch armseligeren) Welt.

Obschon, was soll ich klagen?! Ich empfand es einerseits erschütternd, andererseits zugleich wieder anrührend, die Menschen um mich herum zu beobachten, wie sie, nachdem sie aus dem augen- und ohrenbetäubenden Kaufrausch und dem Weihnachtsgedudel während dieser alles entscheidenden Tage wieder aufgewacht waren, reagierten. Auf jeden Fall immer schneller sein als der andere, damit einem der Nachbar ja nicht den leckersten Gänsebraten, das schönste Abendkleid, die geilste Unterwäsche (für den ultimativen Kick an Silvester) vor der Nase wegschnappt – alle anderen zu übertrumpfen, das war das absolute Ziel, an dem sich jeder, der etwas auf sich hält, messen lassen muss … ja, MUSS!

Apropos Nachbarn! Nostalgische Tränen der Freude spüre ich in der Erinnerung sogar jetzt noch über meine Wangen rinnen -, wie sich meine Mitmenschen ihrem „Nächsten“ zuwenden, den in diesen Tagen Alleingebliebenen, den Einsamen … . Aber alles schön der Reihe nach (!): Zuallererst müssen noch vor dem neon-rot-gelb-pink grell blinkenden Plastik-Weihnachtsbaum ihre Kinderlein mit zahllosen irren Geschenken ruhiggestellt werden; beispielsweise mit dem neuesten Smartphone, sodass sie in jedem Fall ihre „Spielkameraden“ übertrumpfen können … schließlich steht damit auch der gesellschaftliche Rang der Eltern zur Disposition.

Klar kommen gerade an diesem Heiligen Abend die Kinder zuerst an die Reihe – Aug in Aug mit dem Jesuskind, das sie hernach zur Mitternachtsandacht erwartet, eine sozusagen heilige Pflicht … ja, geradezu eine Selbstverständlichkeit! Und damit sich die Erwachsenen später beim Kirchgang vor ihren Kindern keine Blöße geben müssen, tippen sie noch rasch die Adresse des Gotteshauses (Alle Jahre wieder …) ins Navi ein.

Ja, tatsächlich! Nachdem es den Nachbarn gelungen ist, sich (zumindest vorübergehend) von dieser immer schwerer werdenden Bürde der Verantwortung für den Nachwuchs zu lösen, greifen sie mit gierig-zittrigen Fingern wie Junkies nach der Fernsteuerung, um sich die Spenden-Show der angesagtesten Künstler reinzuziehen … man will doch schließlich etwas Gutes tun … fühlt sich „dem Nächsten“ verpflichtet. Selber spenden? Aber nein doch! So etwas Banales überlassen sie den Promis, die da vor ihnen, stellvertretend, einen Telefonhörer symbolisch am Ohr, Millionen Euro an Spenden erbetteln … . Schließlich bezahle man auch diese Typen und die ganzen Shows mit den teuren Rundfunkgebühren – all inclusive sozusagen … . Wenn das nicht Spende genug sei?!  

Geradezu phantastisch – dieses wärmende Gefühl der Zuneigung, von dem man selbst vor der Glotze dank dieses eigenen, tatkräftigen sozialen Engagements bei Marzipankartöffelchen und Dominosteinen durchflutet wird … was sich darüber hinaus in den strahlenden Augen der Fernsehmoderatorin in ihrem Glitzerfummel mit dem reizenden Dekolleté widerspiegelt. Nein, wirklich – in dieser harten Zeit, in der die Mitmenschlichkeit im Alltag vor die Hunde zu gehen droht, ist so etwas absolut angesagt …  ja, sogar dringend notwendig.

Trinken wir darauf … saufen uns einen an! Es könnte jetzt doch alles so gemütlich sein, wenn da nur dieser schwache Lichterschein aus dem Nachbarhaus nicht wäre; ein eigentlich schon baufälliger Schuppen, den der Nachbar vor ‘zig Jahren von seiner Mutter geerbt hat. Doch zum Renovieren hat es offensichtlich nicht gereicht – andererseits scheint es wohl Leute zu geben, die sich in solchen Höhlen wohlfühlen. Sie hatten es gutgemeint, wollten ihm die alte Ruine abkaufen, aber der Trottel hat abgelehnt. Dabei hatten sie schon so schöne Architektenpläne in der Schublade liegen … für den neuen Swimmingpool; mit direktem Zugang zur Sauna, versteht sich.

Hätten ihm damit doch eigentlich nur einen Gefallen erwiesen – für einen Platz im Pflegeheim hätte es sicherlich gereicht. Bei so einem wie ihm, mit seinen fast 80 Jahren, alleinstehend, um den sich doch ohnehin keiner mehr kümmert, wird es auch allmählich Zeit.

Das hat er nun davon – muss mit ein paar Kerzen in seiner dunklen, kalten Behausung auskommen … an einem so schönen Tag wie diesem – an dem einem das Herz aufgeht.

Geradezu asozial … empörend – Prösterchen!