Gedanken zum Tag (06.11.2023)

In einem SWR2-Beitrag kam ein deutscher Reporter zu Wort, der jüngst in dem von den Israelis kontrollierten Westjordanland zusammen mit weiteren Kollegen eine Stunde lang von israelischen Siedlern sowie israelischen Soldaten festgehalten wurde – und dies, obwohl die Journalisten ordnungsgemäß akkreditiert waren. Unter anderem bedrohte man sie mit Waffen, die durch die Fahrzeugfenster ins Wageninnere geschoben wurden.

Als Hintergrund dieser Einschüchterungsaktion vermutete der Reporter ihre gemeinsame Recherche über jüdische, radikale Siedler. Diese würden laut Augenzeugenberichten palästinensische Bauern systematisch schikanieren; sie beispielsweise daran hindern, ihre Olivenernte einzubringen. Ebenso sollen sie deren Brunnen mit Kloake verunreinigt haben, sodass Schafe in der Folge erkrankten. Durch diese Umstände sähen sich immer mehr Bauern gezwungen, ihr Land zu verlassen.

Der Reporter schilderte außerdem, dass er infolge seiner Berichterstattung hierzulande als Antisemit beschimpft worden sei. Die Presse habe jedoch die Pflicht, über das zu berichten, „was ist“, verteidigte er sich.

Einseitige Berichterstattung ist KEINE Berichterstattung! Als Journalist habe ich in 25 Jahren erfahren, dass Berichterstattung vor Ort tatsächlich etwas bewirken kann. Das funktioniert aber nur, solange der Leser nicht den Eindruck bekommt, dass bestimmte Dinge unter den Teppich gekehrt werden.

Berichterstattung muss fair und ausgewogen sein – und das Ganze ohne Ansehen der Person! In Nazideutschland gab es keine freie Presse – hüten wir uns davor, in unserem (noch) demokratischen Staat dem Populismus die Hand zu reichen und unsere Freiheit leichtfertig in die Hände von Fanatikern und geistigen Mitläufern zu legen.

Kritik an Israel ist erlaubt! Wenn deutsche Politiker fortwährend von unserer „besonderen Verantwortung“ gegenüber Israel faseln, dann muss es gerade in diesen Tagen zugleich bedeuten, dass wir Demokraten aufgerufen sind, diesem Staat genau auf die Finger zu schauen. Dies hat mit Antisemitismus nichts zu tun. Vielmehr muss derjenige, der es vorzieht, bei etwaigem Unrecht durch die Israelis zu schweigen, sich seinerseits gefallen lassen, „Antidemokrat“ geheißen zu werden.

Auch seien die Israelis daran erinnert, wie ihre Verfolgung damals, im „1000-jährigen Reich“ begonnen hat: Zuerst wurden die Juden durch Staatsorgane schikaniert und ihre Geschäfte von einer aufgewiegelten Menschenmenge geplündert und zerstört – am Ende stand der organisierte Massenmord.

Lassen wir eine Opfer-Täter-Umkehrung im jetzigen Staate Israel nicht zu! Dem steht nicht zuletzt der Respekt für die Leistung des jüdischen Volkes beim Aufbau seines Landes entgegen. Dies sollte aber auch die (moralische) Verpflichtung beinhalten, den Palästinensern dabei zu helfen, der Rolle, mit Terroristen wie der Hamas in einen Topf geworfen zu werden, zu entfliehen.