Gedanken zum Tag (19.10.2023)

Auf meiner Website zitiere ich in meiner Autobiografie Hannah Arendt und meine, dass ihr Satz „Keiner hat das Recht zu gehorchen“ für mich über allem steht. Weshalb?

Dieser Satz geht für mein Verständnis in dieselbe Richtung wie der Satz von Kurt Tucholsky, „Soldaten sind Mörder“. (Und hier sind wir mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und den Palästina-Konflikt wieder sehr nahe an der Realität). Jeder Mensch, auch ein Soldat, ist ein fühlendes – und vor allem denkendes – Wesen UND ein Individuum. So, wie ein Mensch unfähig ist, seine Schmerzen einfach abzustellen, sowenig ist er auch in der Lage, mit dem Denken aufzuhören. Das fünfte Gebot, ‚Du sollst nicht töten‘ kann auch durch Befehle nicht ausgehebelt werden – sprich, wenn Soldaten zum Morden gezwungen werden, ist dies unentschuldbar. Der Satz von Hannah Arendt „Keiner hat das Recht zu gehorchen“ appelliert deshalb zuallererst an unser GEWISSEN – meiner Ansicht nach neben unserer Fähigkeit, anderen Liebe zu schenken, mit das Wertvollste in uns.

Ein Satz noch zum PALÄSTINA-KONFLIKT und zur jetzigen kriegerischen Auseinandersetzung von Israelis und Palästinensern: In seiner Eröffnungsrede zur Frankfurter Buchmesse vor wenigen Tagen löste der slowenische Philosoph Slavoj Zizek als Gastredner einen Tumult aus, der durch die Weltpresse ging. Er sagte, er verurteile die terroristischen Angriffe der Hamas auf die israelische Bevölkerung, betonte aber, man müsse auch den Palästinensern zuhören und deren Hintergrund beachten, wenn man den Konflikt verstehen wolle. Hoch empört warf der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker Slavoj Zizek vor, mit dieser Aussage die Verbrechen der Hamas zu relativieren.

In meinen Augen sind Beckers Äußerungen jedoch eine, dem emotionalen Augenblick geschuldete Unterstellung. Denn jeder Mensch mit Verstand kann die Kernaussage Zizeks nur unterstreichen! Jedoch halte ich seine Aussage, mit der er den verbrecherischen Charakter der Hamas-Angriffe beleuchten will UND – zeitgleich – auf die Hintergründe der jetzigen kriegerischen Auseinandersetzung fokussiert, für dramaturgisch unklug.

Auch ich werfe den Israelis vor, dass sie als starke Macht im Nahen Osten in den vergangenen 60 Jahren nicht in der Lage waren, den Palästinensern eine Heimat zu geben geschweige denn einen Konsens zu finden, damit beide Völker, Juden wie auch Palästinenser im selben Staat in friedlicher Koexistenz neben- und miteinander leben können. Dieses voranzutreiben und immer wieder den Finger in DIESE Wunde zu legen, halte ich für eine viel wichtigere Aufgabe als Überlegungen, künftig jedem die deutsche Staatsbürgerschaft zu verweigern, der sich nicht gleichzeitig zum Existenzrecht Israels bekennt.

Dass zahlreiche Menschen so wie ich empfinden, zeigen auch die derzeitigen Proteste auf der Straße. Viele haben es, ungeschminkt gesprochen, einfach satt, dass die deutschen Regierungen gebetsmühlenartig die besondere Verantwortung der Deutschen für die Juden predigen – und dabei das Unrecht, welches der Staat Israel über die Jahrzehnte Palästinensern antut, weitgehend unter den Tisch fallen lassen. UNRECHT IST UNIVERSAL!  

Toleranz und Mitmenschlichkeit – zwei Begriffe, die auch das Fundament für meine Romane darstellen – vor diesem Hintergrund vor allem sind meine Werke zu lesen.