Gedanken zum Tag (06.03.2023)

Sexualisierte Gewalt … ein unappetitliches Thema. Sicher. Das Reden darüber jedoch ist notwendig.  (Gerade lief dazu in SWR2 ein interessantes Feature). Wer denkt, dieses Thema und das Thema Gewalt generell ginge ihn nichts an, liegt falsch. Eine Gesellschaft, die das Reden darüber tabuisiert, ist krank.

Eins daran (neben der Tatsache an sich) stört mich ganz besonders: Die Täter kommen in der Regel ungeschoren davon. Selbstjustiz? In unserer, so genannten zivilisierten Gesellschaft so gut wie ausgeschlossen; den Bürgern sind durch Gesetze gewissermaßen die Hände gefesselt … Und Gesetze sind wichtig – oder? Andererseits … sein Recht heutzutage erfolgreich einzuklagen ist Sisyphusarbeit – also meist zum Scheitern verurteilt.

Wichtig zu erkennen ist in diesem Zusammenhang, dass Gewalt jedweder Art – auch solche verbaler Art – soziale Strukturen zerstört. Denn Gewalt erzeugt Unsicherheit. Wird sie geduldet, entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit. Ein in unserer Gesellschaft vielfach praktiziertes Mittel ist „Wegschauen“. Wegschauen tötet jedoch – tötet das ab, was uns als Menschen überhaupt ausmacht: Das Mitgefühl für andere.

„Das geht uns nichts an, lass uns gehen, wir wollen damit nichts zu tun haben …“ – in unserem bürgerlichen Alltag vielfach gehörte und, schlimmer noch, auch praktizierte Sätze.

Gewalt bedeutet jedoch auch Erniedrigung; den Menschen als solches nicht mehr anerkennen, ihn wie einen Gegenstand behandeln – ihn nicht länger als ein Subjekt zu sehen, sondern nur noch als austauschbares Objekt.

Frauen sind in der Regel nicht mit denselben körperlichen Fähigkeiten ausgestattet wie Männer – sind also per se schutzbedürftig. Was Menschen anderen antun können, das sieht, hört und erlebt man verstärkt in Kriegszeiten, wo sexualisierte Gewalt oftmals als Kriegswaffe gegen Frauen eingesetzt wird – und wo der Einzelne nur noch als Teil des Ganzen gesehen wird (und auch so handelt und behandelt wird), nicht mehr als Individuum. Letzteres gilt für beide Seiten übrigens gleichermaßen: Für Täter wie auch für Opfer. Die Täter haben jedoch meist die Mittel, unerkannt zu bleiben. Die Opfer, sind sie erst einmal ihrer Menschlichkeit beraubt, sind ausgeliefert, sind Freiwild.

Sexualisierte Gewalt wurde erst 2002 international als Tatbestand erfasst. Beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wurde bislang nur ein einziges Mal ein Verantwortlicher verurteilt.

Wenn schon die „großen“ Institutionen versagen – was kann dann der „kleine Mann“ tun? Als ein Mittel, den Kreislauf von Gewalt zu durchbrechen, sehe ich vor allem eines: Das Individuum betonen, demonstrieren, dass jeder Einzelne von uns wichtig ist, dass jeder das Recht hat, nicht nur etwas zu essen zu bekommen, sondern auch seine Meinung zu sagen, das Recht hat, gehört zu werden.

Damit fängt Menschsein an!