Glosse von Guido Sawatzki
Wir kannten uns nicht – und sprachen dennoch miteinander wie Vertraute … Brüder im Geiste, sozusagen. Doch dann, nach etwa einer Stunde, legte Brian los … das heißt, zuerst zündete er sich noch eine Zigarre an, so eine Richtige wie früher – also keinen neumodischen ausgedörrten, krummen Glimmstängel. Diese hier machte auch noch richtig Rauch … und vor allem duftete sie so herrlich würzig – ein Geruch, den ich einfach mag; obwohl ich selber nicht rauche.
Ich berichte die Story jetzt einfach so, wie Brian sie mir erzählt hat — Wort für Wort.
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BRIANS BERICHT:
„Bevor sich jemand daran macht, die ganze Sache zu vertuschen … nur, damit du es weißt:
Ich gesteh‘s. ICH wars – der die zweite, richtige, Kugel abgefeuert hat. Und die hat ja dann auch irgendwie getroffen.
Schau mich nicht so ungläubig an! Ist ja auch gerade mal ein paar Stunden her. Werden sie aber sicher bald in den Nachrichten bringen … oder auch nicht, wenn sie schlau sind.“
Brian deutete in die Ferne. „Kannst du dir vorstellen, wie sie irgendwann zu Tausenden und Abertausenden dorthin pilgern werden … hin zum Capitol, der Heimstätte seiner, Trumps, Tr(i)ump(he)?
Jenem Ort, an dem dieser Präsident aller Präsidenten, dieser Überpräsident, der von Gott zu grandiosen Taten Auserkorene, zum ersten Mal seine glühenden Fans hat aufmarschieren lassen, zu allem bereit – zum Sturm aufs Capitol. Schon damals muss es die Welt geahnt haben – was sage ich da (?!?) — … nein, gewusst, mit allen Sinnen gespürt haben, dass ein Auserwählter dorthin muss … auf ewige Zeiten … der neue Messias sozusagen.
Dort, ja, genau da, auf den Stufen des Capitols wird dann das, was von Donald John Trump übriggeblieben ist, aufgebahrt werden … im offenen Sarg, den insgesamt vierzehn ausgesuchte Soldaten der Nationalgarde in Paradeuniform, sieben auf jeder Seite – schließlich ist Trump am 14. Juni geboren – unter eintausendneunhundertsechsundvierzig Salutschüssen – Trumps Geburtsjahr – dort feierlich niederlassen werden. Ich habe sogar gehört, dass sie in Erinnerung an diesen größten aller großen Präsidenten und in Anbetracht der sich dadurch leicht hinziehenden Zeremonie vorsorglich Ohrstöpsel verteilen wollen … Trumps Milliardärsclique wird natürlich solche mit Stars & Stripes-Verzierung erhalten, wie du dir vorstellen kannst.
Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich Trump hinausposaunen hören, dass allein die göttliche Vorsehung, die schon „damals“ jene schreckliche Kugel lediglich sein Ohrläppchen hatte streifen lassen, ihn diese Gedenkstätte, einen Sarkophag mit Steinen aus der Pyramide von Kleopatra, bereits zu Lebzeiten habe errichten lassen. Wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß, hat ihm diese Steine der ägyptische Staat „geschenkt“, um einer drastischen Erhöhung aller Zölle um 200 Prozent zu entgehen.
Ich weiß nicht, ob du schon mal dort warst … . Die Ausmaße des Sarkophags sind derart gewaltig, dass man ihn bereits aus mehr als 1000 Schritt Entfernung sehen kann … . Geschmückt ist das Ganze mit einem riesigen, zum Himmel gereckten rechten Arm und der typischen geballten Faust – ein Mahnmal der Aufrichtigkeit und des aufopfernden Mutes, das jeden aufrechten Menschen auf dieser Erde bestimmt zutiefst erschüttern wird.
Oder meinst du etwa nicht?“ Brian sah mich von der Seite her nachdenklich an.
„Noch im Nachhinein scheint unser Donald Trump der Welt zurufen zu wollen: „Denkt an mich, den besten aller Präsidenten, den dieses Landes jemals gesehen hat – HEIL MAGA !!!“.
Das Ausmaß, das seine Verehrung einst erreichen wird, lässt sich daran ermessen, dass, nachdem der Ort, an dem Donald John Trumps geweihte Gebeine einst ruhen sollen, feststand, sich nur wenig später ein wirklich beeindruckender Pilgerzug in Bewegung setzte.
Schau mich nicht so ungläubig an! Das ist Tatsache! Schließlich brachten das alle Zeitungen! Alte, Schwache, Sterbenskranke versuchten sich – jeder nach seinen Möglichkeiten – zu diesem heiligen Ort durchzukämpfen … wollten ein Foto machen, welches sie anschließend entweder in ihrer Brusttasche oder in ihrer Handtasche – meinetwegen auch bei sich zu Hause in einem Stars & Stripes-Bilderrahmen – aufbewahren würden … wie eine Reliquie.
Doch nicht alle schafften es, mussten zu ihrem Leidwesen vorzeitig abbrechen … mangels ausreichender, KI-gesteuerter Toiletten auf dem Pilgerweg. Diese konnten nur diejenigen in Anspruch nehmen, die ihren elektronischen Ausweis mit der Sozialversicherungsnummer dabeihatten – und wer hatte in der Eile schon daran gedacht (?!). Keinerlei Wartezeiten gab es (selbstverständlich!) für die Ehrengäste und (selbstverständlich!) für Regierungsmitglieder und Angehörige des MAGA-Clans. Vor allem die MAGA-Typen stachen unmittelbar durch ihr forsches, provozierendes Auftreten aus der Masse heraus … ebenfalls mit dem in die Höhe gereckten, rechten Arm und der geballten Faust als Zeichen.“
***
Brian wirkte erschöpft, das lange Erzählen strengte ihn offensichtlich an. Verzeihlich – schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Wie ich vorhin auch heraushören konnte, hatte er in jüngeren Jahren sogar an der Uni gelehrt. Dass er mir davon erzählte, geschah sicher nicht, um sich in den Vordergrund zu schieben, sondern damit ich ihn ernstnehme.
„Ja, ich weiß, was ich durch meine jetzige Tat ausgelöst habe … bin mir dessen vollauf bewusst. Mögen mich die Gerichte auch schuldig sprechen – jeder auch nur einigermaßen korrekte und ordentliche Bürger jedoch wird mich feiern … dafür, dass ich die Geschichte – was sage ich (?!) – die Weltgeschichte wieder zurechtgerückt habe.
Hm … zumindest hoffe ich, dass es dazu kommt. So, wie die mich vorhin – es sind ja gerade erst ein paar Stunden her – noch behandelt haben, bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Wäre auch möglich, dass sie die ganze Chose unter den Teppich kehren … zutrauen würde ich es ihnen. Denn zulassen, dass die ganze Wahrheit über den ersten Attentatsversuch ans Tageslicht kommt – und das würden sie damit ja riskieren -, werden sie es auf gar keinen Fall. Auch bin ich mir sicher, dass wir in diesem Moment, so, wie wir hier sitzen, nicht „allein“ sind.
Und weißt du, was? Falls ich nicht mehr in der Lage sein sollte, diese Geschichte zu erzählen, dann wirst du es einmal tun … okay?“
Brian wartete meine Antwort gar nicht erst ab, sondern fuhr fort.
„Bei Gott, was habe ich Jahre gebraucht – von meinem persönlichen, ja, auch finanziellen Einsatz will ich gar nicht reden -, um alles aufzuschlüsseln … zu untersuchen – bis ins kleinste Detail. Die Krönung von alledem – auch das möchte ich nicht verschweigen – war, dass ich herausgefunden habe, dass der vermeintliche Attentäter am 13. Juli 2024 lediglich eine Schreckschusswaffe dabeihatte. Es hätte also wenig bis nichts gegeben, wofür er zu verurteilen gewesen wäre – verstehst du?! Doch das zu erkennen brauchte ich nicht einmal eine Minute – nachdem sich Trump mit der Hand ans Ohr gefasst hatte, hinter welchem das Blut hervorspritzte.
Allein die Siegerpose unseres Präsidenten unmittelbar nach dem vermeintlichen, aber dennoch für Jedermann deutlich wahrnehmbaren Schuss sowie sein gleichzeitiges triumphales Grinsen ließen für mich damals keinerlei Zweifel zu. Da war kein schmerzverzerrtes Gesicht, wie es normal gewesen wäre – im Gegenteil: Donald John Trump barst förmlich vor Energie und Tatendrang, sich der breiten Masse als Held darzustellen. Dazu passend die mittlerweile allseits bekannte, markante Siegespose mit der Faust. Trumps eiskaltes Kalkül hierbei: Falls bis dato noch jemand auch nur den geringsten Zweifel daran gehabt hatte, dass der Schöpfer die Hand über ihn hielt, würde derjenige spätestens jetzt für immer verstummen.
Wie lange mag er wohl diese Szene geprobt haben, schoss mir schon damals durch den Kopf. Dabei war alles dermaßen simpel, richtiggehend primitiv – und doch so wirksam! Der klitzekleine Beutel mit Theaterblut, festgeklebt hinter seinem Ohr, den er im entscheidenden Moment lediglich durch ein bisschen Druck zum Platzen bringen musste. Gelernt ist gelernt, möchte man da sagen … angesichts seiner früheren Tätigkeit als Schauspieler und Showmaster.“
Brian musste lachen – doch war es eher ein bitteres Lachen.
„Den Schuss aus der Schreckschusswaffe hatte der sogenannte Attentäter nur noch einigermaßen synchron abgeben müssen. Das war dann auch schon alles. Zur Ehre von Trumps Leibwächtern muss an dieser Stelle aber festgestellt werden, dass sie mit Sicherheit vorher nicht eingeweiht worden waren – schließlich sollte doch alles überzeugend wirken.
Dass die vom Secret Service dann den Kleinen, diesen 20-jährigen erschossen, war ausgesprochenes Pech. Und dass dann noch einer von den ganz Schießwütigen aus Trumps Truppe wild herumballerte und dabei einen weiteren Mann erwischte … . Aber auch das haben sie, wie wir wissen, dem Kleinen in die Schuhe geschoben.
Jedenfalls kann man ihm zu dieser durchweg geglückten Inszenierung nur gratulieren. Donald John Trump ist es gelungen, die Welt hinters Licht zu führen. Das war tatsächlich sein Meisterstück als Schauspieler. Einfach perfekt – doch, wie gesagt, für mich einfach zu perfekt. Nachdem ich dieses Komplott durchschaut hatte, habe ich mich an die Arbeit gemacht – bis sämtliche Beweise auf dem Tisch lagen … keinesfalls hektisch, sondern alles mit Bedacht.
Nein – damals hatte ich mir fest vorgenommen, noch einiges zurechtzurücken im allgemeinen Geschichtsverständnis. Sollte doch meinetwegen die Menschheit damit leben – für mich jedoch durfte eine derart faustdicke Lüge nicht im Raum stehenbleiben. Das war ich nicht nur mir – das war ich der Welt schuldig. Und, vor allem, kam es mir auf Korrektheit an … nicht nur in den Geschichtsbüchern. Wenn jemand wie Trump schon etwas Derartiges anstieß, dann musste es nach meinem Verständnis auch zu Ende gebracht werden – und zwar richtig – soll heißen: auf meine Art.
***
Doch noch war es nicht so weit … .
Erst nach einem selbst verordneten und konsequent durchgezogenen Trainingsjahr war ich mir sicher, über genügend körperliche Fitness zu verfügen. An meiner Überzeugung, dass da etwas im Lebenslauf des Präsidenten korrigiert werden müsse, hatte sich in der Zwischenzeit nichts geändert — im Gegenteil. Je länger und aufmerksamer ich mir sein Treiben anschaute, desto sicherer war ich mir: Der musste weg! Jetzt waren nur noch einige Formalitäten zu erledigen.
Und das organisierte ich folgendermaßen: Um den Behörden hierzulande nicht aufzufallen, löste ich ein Zugticket nach Holland. Selbst wenn mich jemand dort vor den Toren der iranischen Botschaft registrieren sollte, bedeutete das noch lange nicht, dass die Deutschen davon sofort etwas mitbekämen.
Was meinen Besuch dort angeht, kann ich mich kurzfassen: Man nahm mich mit offenen Armen auf … unterm Strich. Natürlich agierten die Offiziellen dort überaus vorsichtig. Man bat mich zunächst lediglich darum, meine persönlichen Daten dazulassen … und man werde sich baldmöglichst mit mir in Verbindung setzen. Natürlich hatte ich Verständnis für ihr Vorgehen – schließlich wollten sie wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Auch wollten sie sicher nicht leichtfertig die 40 Millionen Dollar Belohnung, die iranische Geistliche auf den Kopf von Donald Trump ausgesetzt hatten, an einen Hallodri verschleudern.
Mehrere Wochen vergingen, ohne dass sich etwas bewegt hätte. Währenddessen führte ich mein ganz normales Leben weiter … inklusive Gassigehen mit meinem Weimaraner. Allerdings fiel mir auf, dass dieser seit meiner Stippvisite in den Niederlanden ziemlich herumzappelte … vor allem nachts. Aber wenn ich dann aufstand und aus dem Fenster schaute, konnte ich nichts Ungewöhnliches entdecken. Dann, eines Morgens beim Gassigehen mit Leo – so heißt mein Hund – passierte es: Er schlug plötzlich heftig an und zog wie verrückt an der Leine. Regelrecht zurückzerren musste ich ihn, um zu verhindern, dass er der Spaziergängerin – einer attraktiven obendrein – nicht an die Wäsche ging.
„Leo – Platz!“. Erst als die hübsche Lady in die Hocke ging und ihn mit einem Leckerli lockte, beruhigte Leo sich. Ich wollte mich bei ihr entschuldigen, doch meinte sie nur: „Wir kennen uns – Ihr Hund und ich. Ich habe sie bereits längere Zeit beobachtet … Sie verstehen? Ich bin sozusagen Ihr Schatten … Ein wohlmeinender Schatten – keiner also, der Ihnen schaden will. Im Gegenteil. Ich komme von einer der mittlerweile zahlreichen Behörden, die nur wenige Eingeweihte kennen. Seit Ihrem Besuch in der iranischen Botschaft haben wir Sie übrigens keine Sekunde aus den Augen gelassen. … Ich persönlich habe Respekt vor Ihrer Haltung … dass Sie sich nicht verbiegen lassen.
Übrigens ist Ihnen da noch jemand Zweites auf der Spur. Ich schätze, das war diesmal ein Iraner – richtiger gesagt: Eine Iranerin. Auch sie hat Sie die ganze Zeit über schon verfolgt. Ich musste sie vor wenigen Minuten ins Reich der Träume schicken … damit sie weiß, dass die „andere Seite“ – also wir – auch nicht schläft. … Setzen Sie sich einfach hier auf diese Bank. Sie wird sich schon sehr bald aus dem Gebüsch dort drüben herausgewühlt haben. Tun Sie dann am besten so, als ob Sie das alles nichts anginge. Sie wird Sie dann schon ansprechen. Auch die wollen schließlich wissen, ob ihr Geld in Ihren Händen gut aufgehoben sein wird … wenn Sie wissen, was ich meine. Machen Sie’s gut … und Good Luck!“
„Fuck, fuck … fuck!“ – die junge Frau, die sich da wenige Minuten später zu mir auf die Bank setzte, war offenbar in einem Brombeergebüsch gelandet. Ihr auffallendes persisches Stickereikleid sah jedenfalls ziemlich zerfranst aus.
„Schade drum …“, meinte ich zu der jungen Frau mit den auffallend großen dunklen Augen und der hohen Stirn. „Fuck! …“. Mehr brachte sie auch jetzt noch nicht heraus. „Was hat man denn mit Ihnen angestellt?“, fragte ich halb im Scherz.
„Das müssten Sie doch am allerbesten wissen“, erwiderte sie zornig und stampfte dabei mit dem Fuß auf den Boden.
Ich stellte mich dumm und bot ihr an, sie zu begleiten, „… damit so etwas nicht wieder vorkommt.“
Sie schaute mich scharf von der Seite her an, wohl um zu prüfen, wie ernst ich das meinte oder ob ich sie lediglich auf den Arm nehmen wollte.
„Sie sehen übrigens gar nicht aus wie ein Killer“, kam sie gleich auf den Punkt.
„Dann wird man mich auch nicht so schnell für einen solchen halten“, gab ich spontan zurück.
Sie musste lächeln. Ein feines Lächeln, dachte ich bei mir. „Und Sie machen auf mich auch nicht den Eindruck einer knallharten Spionin!“
Sie ging nicht weiter darauf ein. „Meine Auftraggeber wollen es mit Ihnen versuchen. Hier ist der Schlüssel zu einem Schließfach. Darin werden Sie alles finden, was Sie brauchen – inklusive einer Anzahlung … zehn Prozent. Das sollte vorerst reichen.“ Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und ging.
Schade, dachte ich. Ich war einerseits froh – aber zugleich auch enttäuscht. Die junge Frau war nahe daran gewesen, gewisse Empfindungen bei mir auszulösen. … Aber sei’s drum. Geschäft ist Geschäft.
Dasselbe musste ich denken, als ich nur zwei Tage später ihr Gesicht in der Zeitung sah … nein, nicht das der hübschen Iranerin – ich meine die Lady von einer der zahlreichen Behörden, die nur wenige Eingeweihte kennen. Die hatte dran glauben müssen. Sie wurde im Park gefunden … tot. Und zwar an derselben Stelle, wo meine Iranerin in den Brombeeren gelandet war. Ich ging wohl nicht fehl in der Annahme, dass das eine Warnung an mich sein sollte … dass das Gleiche mit mir passieren könnte – falls ich nicht so funktionierte, wie DIE sich das vorstellten. Junge, jetzt wird’s ernst, dachte ich bei mir.“
Brian senkte den Kopf. „Ja, das war der Moment, als ich erkannte, dass mein Weg vorgezeichnet war … dass nicht länger ich allein bestimmte, wo es lang ging – und dass sowohl ich als auch der Präsident Teil der Vorsehung waren.
„Außer dem Geld befanden sich in dem Schließfach noch jede Menge von Dokumenten, wie man sie heutzutage braucht – inklusive diverse Ausweise und Kreditkarten … natürlich auf einen anderen Namen als den meinigen ausgestellt. Als Zugabe eine Liste der Golfressorts, die Trump in nächster Zeit aufzusuchen gedachte … mit Geländekarten und einer Unmenge detaillierter Informationen. Ich war beeindruckt.
Ach ja – eine Waffe war auch dabei; zerlegt in drei Teile. Mit Schalldämpfer. Man konnte förmlich die Präzision spüren. Ein tolles Werkzeug! Wie geschaffen dafür, dass Donald John Trump, dieser böse Clown von seinem Thron gestoßen wurde! Ganz zuunterst – fast hätte ich ihn übersehen – ein kleiner handgeschriebener Zettel … eher weiche Schriftzüge, wie die einer Frau. „Ich werde in Ihrer Nähe sein, wenn es geschieht.“ Mehr nicht. Sollte dies eine Drohung sein oder sollte ich mir beschützt vorkommen? Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung!
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DER TAG X.
Die Liste mit den Golfressorts war Gold wert. Schon früher hatte ich gedacht, dass dies – einer von Trumps Golfplätzen – ein guter Ort sein könnte … mit einem guten Schussfeld. Andererseits lief man Gefahr, schon von weitem gesehen zu werden. Auch standen auf solchen Plätzen bestimmt nicht allzu viele Bäume herum. Wie konnte ich dort also an ihn herankommen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen?
Während der folgenden Wochen vertiefte ich mich verbissen in die Pläne und Zeichnungen. Lediglich zwei internationale Golfplätze schienen für mein Vorhaben in Betracht zu kommen. Einer davon lag im idyllischen Königsfeld im Schwarzwald. Er hatte darüber den Vorteil, unweit des Golfparcours über einen kleinen Teich mit hohen Schilfpflanzen zu verfügen. Etwas Besseres konnte mir nicht passieren. Hier würde mich so schnell niemand entdecken. Kurzum – ich war begeistert!
Natürlich wollte ich jetzt nicht jahrelang warten, bis der Präsident auf die Idee kommen würde, im kleinen Kurort Königsfeld in the black forest seinen Golfschläger zu schwingen. Mir war zufällig zu Ohren gekommen, dass Donald Trump für ein gutes Eis alles andere stehen und liegen ließ. Da ich an Fantasie reichlich gesegnet bin, ließ ich kurzerhand das Kind einer äußerst attraktiven Freundin einen Brief schreiben, worin es das amerikanische Eis, welches es in einer kleinen Eisdiele hier in Königsfeld gibt, als das Beste auf dem ganzen Planeten beschrieb. Dem Brief legte sie ein Bild von sich sowie eine kleine Zeichnung ihrer Tochter von der Eisdiele bei. … Nein, Skrupel hatte ich keine.
Es dauerte keine zwei Wochen, als Mister President antwortete – und zwar positiv. Das seinem Brief beigefügte Foto zeigte ihn breit grinsend mit hochgereckten Armen … sollte wohl eine Art Siegerpose sein. Das größte dabei war jedoch – und ich vermochte meinen Augen kaum zu trauen -, dass Donald Trump das Datum nannte, an dem er in Königsfeld aufzutreten gedachte. Für mich – ein Volltreffer!
Doch musste ich mich beeilen. Der Termin war bereits in zwei Wochen. Mithilfe der gefälschten Papiere konnte ich in einem Schießsportzentrum mit der Waffe ausgiebig trainieren. Um einen möglichen Verdacht zu zerstreuen, gab ich vor, an einem internationalen Schützenwettbewerb teilnehmen zu wollen.
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DAS WUNDER
Es war soweit.
Er kam. ER, der Präsident … stieg aus seinem gepanzerten, schusssicheren Golfcart. Ich hatte Donald John Trump im Visier … schaute ihm in die Augen. Dann jedoch geschah etwas Seltsames. Trump schaute auf, drehte sich nochmal um, gab Anweisungen. Mein Finger legte sich um den Abzug. Einer seiner Leibwächter brachte ihm eine Mütze.
Nein, diesmal war es keine MAGA-Kappe. Vielmehr stand etwas völlig Ungewöhnliches darauf … etwas, womit ich bei einem Typen wie ihm ganz gewiss nicht gerechnet hatte: „I LOVE GOD – AND HE LOVES ME“. Nicht mehr und nicht weniger. Ich fühlte mich bis ins Mark erschüttert. Ja, das war es, was ihn ausmachte … was Millionen zu ihm wie einem Gott aufschauen ließ.
Okay … er mochte beim ersten Attentat gemogelt haben – aber war das nicht vielleicht doch Bestimmung gewesen … oder zumindest etwas Ähnliches? Vielleicht war er tatsächlich tiefgläubig – und konnte es in seiner Rolle als Präsident nur eben nicht so zeigen? Weil man ihn dann vielleicht für schwach und wenig durchsetzungsfähig gehalten hätte?
Nein. Ich konnte es nicht tun. Eventuell war er der Menschheit wirklich von Gott gesandt … ja, wahrscheinlich war dies der Fall – und ich tat ihm also womöglich Unrecht! Doch was nun? Was sollte ich tun?! Ich hatte das Gefühl, dass meine Mission vor ihrem Ende stand.
Mein abzugsbereiter Finger krümmte sich. Ich schoss – und traf … .“
Brian fasste mich an der Schulter.
„Nein, nicht Trump. Die Kugel hatte die Schnur, die über ihm ein riesiges Sternenbanner hielt, zerfetzt und das herabfallende Fahnentuch hatte ihn gleich einem Mantel umhüllt. Und – war es Einbildung oder nicht – mir kam es plötzlich so vor, als sähe ich einen Strahlenkranz über seinem Haupt. Wirklich. Ich sank nieder und begann ein Gebet für ihn zu sprechen.
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Die Tatsache, dass ich jetzt, nur wenige Stunden später, neben dir sitze und dir das alles erzählen kann, beweist doch, dass ich die Wahrheit sage.
„Ja, danach konnte ich mich verdrücken. Hatte mich ja auch auf eine solche Situation vorbereitet. Kurze Zeit später jedoch hatten sie mich am Wickel – rückten mit einem Riesenaufgebot ihrer MAGA-Truppe an. In der anschließenden „Unterredung“ – so nannten sie das Verhör – befürchtete ich zunächst das Schlimmste. Dann jedoch erzählte ich ihnen meine Version vom ersten Attentat. Schon da merkte ich, wie sich bei ihnen eine gewisse Nachdenklichkeit einstellte und sie peu à peu von ihrer Position, mich als potentiellen Gegner zu sehen, abrückten. Auch hatten sie an der Vorstellung, dass ich mit meiner Sicht der Ereignisse damals hausieren gehen könnte, offensichtlich heftig zu knabbern. Die Handschellen hatten sie mir da schon abgenommen. Als sie dann aber noch meine Läuterung vom Saulus zum Paulus erkannten und ich meine Verehrung des Präsidenten glaubwürdig darlegen konnte, war das Eis vollends gebrochen. Zum Abschied hielt der leitende Vernehmungsbeamte sogar noch meine Hand ganz fest und meinte: „Gott sei mit Ihnen!“
Brian drückte meinen Arm. In seinen Augen schimmerte es verdächtig.
„Ja, mein Junge … tatsächlich! Gott war mit mir und auch mit ihm. God bless America. God bless Donald John Trump!“